Es lebe das Tote!

Wer zersetzt hier alles? Totholz und seine Nutznießer

Inzwischen hat es sich herumgesprochen, daß Totholz wichtig ist, da viele Insektenarten, aber auch andere Tiere und Pflanzen davon leben. Selbst der Wald profitiert davon. Das Thema rund um das Totholz ist extrem vielfältig. Ich habe hier ein paar Bereiche angeschnitten. Man könnte eine Diplomarbeit drüber schreiben (gibt es vermutlich schon :-). Spannend finde ich, wieviel Leben im vermeintlich „Toten“ zu finden ist. Ist das Leben doch ewig? Naja, wenigstens der Kreislauf der Natur ist es.

Bereits von diversen Lebewesen bearbeitet: ein toter Ast in Auflösung.

Löcher von Holzbewohnern, kleine wie große. Hat hier der Specht gehämmert?

Anfangs gibt es noch viele schöne Rundungen und glatte Flächen, wenn die Rinde erst einmal ab ist,  Entschuldigung, die Borke! Vielleicht waren das hier mal Höhlen für Siebenschläfer, Kauz und Co?

Ich las, daß über 1300 Käferarten in Mitteleuropa an der Zersetzung von Totholz beteiligt sind oder es bewohnen, also als Lebensraum benötigen. Auch Vögel, Säugetiere und Amphibien nutzen tote Bäume für ihre Bruthöhlen oder für ihre Nahrungssuche. Spechte und Kleiber suchen gerne unter der Borke nach Käferlarven und anderem Getier. Des weiteren finden sich bis zu 1500 Großpilzarten, die an oder im Totholz tätig sind.

Nebenbei habe ich noch gelernt, daß es ganz viele Stadien an unterschiedlichen Standorten von Totholz gibt. So findet sich Totholz auch in Baumkronen noch lebender Bäume. Wo es von der Sonne beschienen wird, ob in der Krone oder am Boden, bilden sich wiederum Habitate für wärmeliebende Arten. Vögel bauen dort gern ihre Horste, am Boden tummeln sich besonders seltene Käferarten.

Fortgeschrittene Zersetzung: hier sieht das Holz bereits wie durchlöchert und stark bearbeitet aus.

Dieser Käfer hier hat vielleicht noch seine Eier im Holz abgelegt oder er war geschlüpft und hat nun sein Lebensende erreicht. Die Larven mancher Käferarten fressen 3 oder sogar 5 Jahre im Holz toter Bäume.

(Notiz für mich: könnte es ein „Schwarzer Schneckenjäger“ Phosphuga atrata sein?)

Besonders verhängnisvoll ist für einige Käferarten, wenn ihre Kinderstube mit dem Feuerholz im Kamin landet. Das ist besonders beim bedrohten Alpenbock der Fall. Der ist hellblau-schwarz, wirklich sehr hübsch. Sie mögen warme Holzscheite, die in der Sonne liegen und legen dort gern ihre Eier ab.

Kein Alpenbock, aber vermutlich eine andere Bockkäferart

Andernorts müssen die Käfer überhaupt Totholz finden, daß in vielen (Nutz-)Wäldern weggeräumt wird.

Neben der größten Gruppe, der Käfer, finden sich auch viele andere Insektenarten, die vom Totholz profitieren. Viele Hautflügler, wie Wildbienen, nutzen Käferfrassgänge, um dort ihre eigenen Eier abzulegen, wie beispielsweise die Schwarze Holzbiene. Als ich letzten Sommer im Wald war, sah ich diese Holzwespen-Schlupfwespe (evtl. Rhyssa persuasoria) auf dem Bild weiter unten. Sie war ein paar Meter entfernt und daß Licht war schwach, aber immerhin konnte ich sie überhaupt auf einem Foto festhalten.

Schlupfwespen und ihr Legebohrer

Ich schätze, daß das Tier etwa 3 bis 4 cm lang ist. Der sogenannte Legebohrer, mit dem sie nicht sticht, wie manche gleich denken mögen, sondern mit dem sie ihre Eier in ihre Wirte (z.B. Holzkäferarten) legt, ist länger als der gesamte Körper. Die Riesenschlupfwespen, es könnte aber auch die Holzschlupfwespe Ephialtes manifestator sein, haben einen hochsensiblen Geruchssinn, mit dem sie die Wirtslarven im Holz aufspüren können. Mit ihrem Legebohrer bahnen sie sich ihren Weg durch das Holz und in die Larve, um in dieser das Ei abzulegen. Wenn ich es richtig verstanden habe, dreht sich das Tier um seinen Bohrer, um in das Holz hineinzukommen. Für mich total faszinierend, daß das mit diesem dünnen Ding überhaupt geht.

So mancher Käfer lebt auf dem Totholz und wird wiederum von anderen Käfern gejagt. Es gibt auch Holzameisen, die ihre Nester in Holz anlegen, z.B. die Glänzendschwarze Holzameise, die aber auch Balken von Zäunen und Häusern befallen kann. Allein diese Ameisenvölker sind wieder ein Faszinosum für sich.

Auch Zweiflügler profitieren vom Totholz

Außerdem finden sich am Totholz Zweiflügler wie Mücken und andere kleine Fliegen. Dungmücken leben z.B. im Laub, an Pilzen oder auch im Totholz. Vielleicht gehören diese dazu? Sie ernähren sich u.a. vom Kot anderer Insekten. Da auf und im Totholz reges Leben herrscht, gibt es auch viel Sch…, äh, Dung.

Mulm

Je mehr das Holz von Pilzen, Käfern und Insektenlarven aufgeschlossen wurde und je weiter die Zersetzung fortgeschritten ist, umso weicher werden die Überreste, Mulm genannt, sozusagen das Stadium kurz vor der Vollendung. Dieser wird dann noch von Asseln und anderen Kleintieren bearbeitet und von Bakterien endgültig zersetzt.

Eine ganz wichtige „Zersetzungsgruppe“ stellen übrigens die Springschwänze dar. Von ihnen gibt es hunderttausende, die im Boden alles „umgraben“, genauer gesagt vertilgen sie meistens Abfallstoffe. Alles, was diese kleinen Waldarbeiter futtern, kommt als 1A Humus wieder raus. Letztenendes verkommt nichts in der Natur. Alle Nährstoffe, die der Wald verbraucht, werden wieder nutzbar gemacht und den neuen Bäumen und Pflanzen zur Verfügung gestellt.

Was hier so gelb leuchtet, ist bereits ganz weiches Holz…

…“kurz vor Mulm“ sozusagen. Man kann es in der Regel mit den Händen zerbröseln. Außerdem ist es nach Regen vollgesogen wie ein Schwamm, also ein guter Wasserspeicher.

Totholz und Waldklima

Außerdem soll das Totholz das Waldklima begünstigen, es kann sowohl kühlenden als auch wärmenden Einfluss haben. Durch seine hohe Wasserspeicherfähigkeit kühlt es im Sommer (bestimmt hat jeder schon unter einem Stück Holz jede Menge Tiere wie Asseln oder kleine Schnecken entdeckt, die dort in der kühlenden Feuchtigkeit Schutz suchen), im Winter speichert es Wärme mit seiner dunklen Oberfläche und fungiert als „Heizkörper“.

Eine Mauerassel guckt aus ihrem kühlen Appartementhaus

Krass sind die Zahlen, die es zu den Mengen in unseren Wäldern gibt. Urwälder, wie es sie in Europa nur noch selten gibt, können bis zu 200 oder fast 300 Kubikmeter Totholz pro Hektar haben. Unsere Wälder haben häufig zwischen 5, und wenn sie gut dastehen, 20 Kubikmeter pro Hektar. Wenn man bedenkt, wieviele Lebensformen, Pflanzen, Moose und Flechten, Pilze und Tiere davon leben, kann man sich den Schwund bestens vorstellen oder?

Wie so oft ist es mit Totholz allein nicht getan. Etliche Insekten benötigen Pollen für ihre Fortpflanzung. So ist die Bedeutung von Offenflächen mit blühenden Pflanzen im oder am Wald nicht unerheblich. Solche Übergangsbereiche schaffen oft günstige Bedingungen und erhöhen die Artenvielfalt. Genauso wie der Wechsel von Wiese zu Hecken und Sträuchern. Manche ausgewachsenen Insekten leben auf der Wiese, ihre Kinderstube haben sie jedoch in den Büschen am Wiesenrand.

Ach, es gäbe noch so viel zum Totholz zu sagen. Ich reiße hier alles nur an. Man könnte ganze Abhandlungen darüber schreiben. Oder ist das jetzt schon eine? Ich mach hier mal Schluß für heute. Jeder kann ja zu jedem der vielen Themen selber weiterlesen :-)

 

34 Kommentare Gib deinen ab

  1. Ein massiver Artikel, toll!

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    1. pflanzwas sagt:

      Danke dir. Wenn man sich damit beschäftigt, stößt man alle paar Meter auf ein neues spannendes Gebiet. Es ist so umfassend, unglaublich. Ich hätte jetzt gerne ein 24 teiliges Hörbuch dazu ;-) Ich wünsche dir eine Gute Nacht! Mehr morgen…

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      1. Die Informationsflut kann gewaltig sein und einen regelrecht verschlingen ;-)

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        1. pflanzwas sagt:

          Allerdings. Es versucht einen in die Tiefe zu ziehen, in das Wurmloch des Wissens sozusagen ;-)

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          1. Ja, es ist alles so spannend! ;-)

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            1. pflanzwas sagt:

              Man weiß nicht, wo man anfangen soll :-)

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            2. und wo man endet :-)

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            3. pflanzwas sagt:

              Auch das :-)

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  2. Ein sehr schöner Beitrag. Den sollte man an die Waldbesitzer mit klinisch reinem Wald rumschicken. Bei uns wird inzwischen zum Glück viel liegen gelassen. Toll, was man da alles entdecken kann. Von wegen tot… 😉

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    1. pflanzwas sagt:

      Es ist der absolute Wahnsinn, was dort alles unterwegs ist. Demnächst muß ich noch mit Mikroskop in den Wald, haha. Kleiner Scherz. Ich muß mal gucken, ob es ein gutes Buch zu dem Thema gibt.

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  3. Vielen Dank für den Themen – Anstubser, ausführlich und motivierend. Liebe Grüße

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    1. pflanzwas sagt:

      Danke dir! Hast du einen Garten?

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      1. Ja, aber keinen Nutzgarten.

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        1. pflanzwas sagt:

          Ist denn da ein Plätzchen für Totholz?

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  4. mmandarin sagt:

    Großartig deine kleine Abhandlung. Du solltest damit an Schulen gehen. Es ist doch geradezu absurd, das Totholz Totholz heißt, wo es doch Leben pur spendet. Also ich nenne es ab sofort Lebendholz. Die Aufnahmen sind wieder sehr schön. Danke, Maria

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    1. pflanzwas sagt:

      Danke dir! So absurd finde ich das gar nicht, heißt es doch auch, daß es Leben im Toten gibt bzw. man kann sich fragen, was Tod überhaupt ist. Je öfter mir das in der Natur begegnet, umso häufiger frage ich mich das.

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  5. Love the subject; well captured!

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  6. kowkla123 sagt:

    tolle Überschrift, bleib oder werde gesund, Klaus

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  7. Ule Rolff sagt:

    Langsam nähere ich mich nach meiner Pause wieder der Blogwelt, und begeistert starte ich mit diesem tollen Beitrag. Du hast ja schon öfter Bilder und Texte zum Totholz veröffentlicht, aber hier finde ich die Informationsfülle sehr übersichtlich strukturiert, so dass jeder und jede an einem Schwerpunkt weiter studieren und vertiefen kann. Auch die Fotos veranschaulichen – fast wie in einem Leitfaden – die einzelnen Stadien. Das hilft sicher bei der Zuordnung von Funden in der eigenen Umgebung. Danke, liebe Almuth.

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    1. pflanzwas sagt:

      Es sind nur „Aufhänger“, aber es würde mich freuen, wenn was hängen bleibt und die Neugier anregt oder nächstes Mal noch genauer hinzusehen, was da vor sich geht. Philosophisch ließe sich natürlich auch drüber nachgrübeln :-)

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  8. Flowermaid sagt:

    … ich fühle mich gerade wie bei der forensischen Schwester von Abby „Nayy NCS“ 🧐

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    1. pflanzwas sagt:

      Da kann ich nicht mitreden, aber forensisch klingt gut. Und was heißt NCS? Was mit Natur?

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      1. Flowermaid sagt:

        … Spurensuche… für nah am Wasser gebaute *g*

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  9. Ja, eine Abhandlung war das schon, liebe Almuth, aber eine sehr interessante und lehrreiche. Danke, daß Du Dir damit so viel Mühe gemacht hast. Auch in unseren Gärten sollten wir Totholz erlauben, wenn das möglich ist. Von der Einstellung, daß alles „ordentlich“ aussehen soll, müssen wir Abstand nehmen, um das Überleben all dieser Lebewesen zu sichern.
    Liebe Grüße,
    Tanja

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    1. pflanzwas sagt:

      Vielen Dank, das freut mich. Jedenfalls darf es mehr Unordnung geben. Für manche Menschen ist das vermutlich pure Anarchie ;-) Aber vielleicht kommt es auch bei denen irgendwann an, daß der Garten keine sterile Wohnfläche ist. LG
      Almuth

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      1. Das wäre wünschenswert!

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  10. bluebrightly sagt:

    Eternal life for sure! That wasp is amazing. Beetles, wasps, ants, mosquitos, and lots of dung. ;-) And the last stages, very interesting – so much going on! Mulm – what a funny word, I like it. The summer and winter aspects in terms of temperature are amazing, too – it makes sense but who would have thought of it? I’m sure there have been theses written about deadwood and its benefits. And you did a lot of work here, too! (Also the idea about the importance of edges has always appealed to me – I’ve noticed it for a long time).

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    1. pflanzwas sagt:

      You are a good observer :-) – Yes, some things could be obvious, but we don’t notice them like the temperature thing. Nature mostly is not our accustomed surrounding so there are many things we don’t see. How long do you study forestry until you know something about the wood?? What a large world it is. Amazing. The more I read and see the bigger is my amazement! – I try to think of a title for a book about deadwood ;-)

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      1. bluebrightly sagt:

        Do you know about the book, „The Overstory“ by Richard Powers? I don’t think it’s been translated – it’s only a few years old. I think Ule was reading it. I just finished it and I think you might really enjoy it.

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        1. pflanzwas sagt:

          No, I haven’t heard from him, but I saw that it was translated. It seems to be one of a series?

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          1. bluebrightly sagt:

            No, it’s not part of a series – just one book, fiction, and pretty long, but very good.

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